Schenkung mit Herz

Nein, natürlich hat das Museum kein Organ in seine Sammlungen aufgenommen. Aber eine Überschrift muss sein – und soll neugierig machen. Also was ist nun wirklich vor Kurzem ins Museum gekommen? Dazu muss ein wenig ausgeholt werden.

1957 kam der Regisseur Joachim Herz an das Leipziger Opernhaus, zunächst als Oberspielleiter, dann als Operndirektor. Die „Ära Herz“ begann, und noch heute schwärmen ältere Leipziger Musikfreunde von seinen Inszenierungen. So führte er 1960 bei Richard Wagners „Die Meistersinger von Nürnberg“ Regie. Mit diesem Werk wurde das neu erbaute Opernhaus am Augustusplatz, damals Karl-Marx-Platz, eröffnet. Es war ein kulturelles Highlight nicht nur für Leipzig, sondern überhaupt für die junge DDR. Während der Proben hatte Herz als studierter Kapellmeister und Musikwissenschaftler zahlreiche Anmerkungen in seine Partitur gemacht: Regieanweisungen, Notizen zur musikalischen Interpretation, rhetorische Fragen. 57 Jahre später trennte sich die Witwe von Joachim Herz, Frau Prof. Dr. Kristel Pappel, von genau diesem persönlichen Notenexemplar ihres Mannes und schenkte es dem Stadtgeschichtlichen Museum. Außerdem übergab sie ein hölzernes Regiepult, das wie selbst gezimmert wirkt und den Geist jener Ära mit den Anstrengungen um ein „realistisches Musiktheater“ noch immer zu atmen scheint: Opernaufführungen sollten nicht mehr nur auf bloßen Genuss ausgerichtet sein, es galt, das Künstliche der Gattung zu überwinden, überkommene Traditionen zu vermeiden und die politische Aussage einzubeziehen. Von 1973 bis 1976 brachte Joachim Herz den kompletten „Ring des Nibelungen“ von Wagner auf die Bühne; er wurde zu einem Meilenstein der Leipziger Musiktheatergeschichte und fand auch international Beachtung. Leider sind von diesem „Ring“ keinerlei Videoaufzeichnungen vorhanden. Auch Requisiten gibt es keine mehr – bis auf eine, die sogenannte „Goldfaust“. Sie ist ein Symbol für die Intention von Herz, Wagners Opernzyklus (übrigens erstmals) als Kapitalismuskritik zu interpretieren. Kurz vor seinem Tod im Jahr 2010 übergab der Regisseur mit dieser „Goldfaust“ symbolisch den Staffelstab an die Richard Wagner Gesellschaft 2013 e.V., um deren Vorhaben um eine „Ring“-Aufführung in Leipzig moralisch zu unterstützen. Auch die „Goldfaust“ kam nun in unsere Sammlung, zusammen mit den anderen inhaltsträchtigen Dingen sowie Fotografien von Joachim Herz. Es ist eine Schenkung, die sicher nicht durch großen materiellen Wert beeindruckt. Aber es ist eine Schenkung mit Herz – und großer Symbolkraft.