Schwarz und weiss macht grau? Eben nicht!

Kirsten Schlegel und Fred Willitzkat gaben bei einer Exklusivführung Einblicke in Leben und Werk des Meisterfotografen Günter Rössler

von Marina Stojakovic

Kirsten Schlegel und Fred Willitzkat brachten in ihrer Führung am letzten Donnerstag Sonnenschein ins Haus Böttchergäßchen, wo im Erdgeschoss graue Wände mit Meisterfotografien bespielt sind. Eine warme Anmutung der Veranstaltung hatten die Besucher eben nicht dem sonnigen Herbsttag zu verdanken. Im ungezwungenen und offenen Redefluss beleuchteten Rösslers Ehefrau und der Regisseur des Doku-Films „ Die Genialität des Augenblicks – Der Fotograf Günter Rössler“ seine Arbeiten mit bunten Geschichten.

Kirsten Schlegel

Kirsten Schlegel

Es hätte auf Anhieb eine familiäre Vertrautheit, die Ahnung von einer Seelenverwandschaft gegeben, erzählte Willitzkat über die erste Begegnung mit dem Ehepaar. Anders als erwartet, musste er nicht zuerst an Türen zahlreicher Assistenten und Vermittler klopfen, um an den Meisterfotografen zu kommen, von dem er als Kind schon erfahren hatte. Es war für ihn überraschend, wie unkompliziert er einen Termin bekam. Die Idee, einen Dokumentarfilm über Rössler zu machen, wurde vom Ehepaar ebenso schlicht und freudig angenommen wie die neue Bekanntschaft, die sich rasch zu einer guten und treuen Freundschaft entwickelte.

Schlichtheit und Einfachheit sind Markenzeichen für das Werk des Kultfotografen. Dahinter steckt sein Bedürfnis nach Harmonie und Vertrautheit. „Es sollte nicht nur ein Film über einen Fotografen, sondern das Porträt eines Menschen entstehen“, gab Willitzkat den Ansatz seines Vorhabens zu verstehen. Der damals schon 86-jährige Fotograf zeigt sich in vielfältigen Szenen und Schnappschüssen des Films in der Tat genauso schlicht und einfach, wie es der Ästhetik seiner Fotos nachgesagt wird. So sind die Formen auch tatsächlich. Der Schaffensprozess und die Umstände aber, die dieser Ästhetik vorausgingen, waren in vielerlei Hinsicht weit davon entfernt.

Wenn Sie sich seine Modefotos in unserem Haus ansehen, dann merken Sie schnell, dass diese auch an der entgegengesetzten Wand, wo eine Auswahl seiner Reportagearbeiten zu sehen ist, locker Stellung nehmen könnten. Das liegt nicht nur daran, dass einige im Ausland entstanden sind.

Fotos aus Ländern des Ostblocks und vom Balkan fanden dank Rösslers leidenschaftlichem Gespür für authentische Augenblicke ihren Weg in die DDR. Auf einem großformatigen Foto sind zwei Personen zu sehen, die nebeneinander an einem Tisch sitzen, dem Blick des Betrachters frontal gegenüber. Beide Gesichter sind mit Zeitungen gänzlich verdeckt. Man möge sich Rössler vorstellen, wie er den beiden zuruft: „Bitte lächeln!“ Sinn für Humor hatte er ja reichlich, wie es Willitzkat an dieser Stelle betonte.

Rössler brachte in die Modefotografie seinen Reportagestil ein. Passagen, Baustellen und Bauten sind in der Regel als Hintergründe so in Szene gesetzt, dass die Frauen frech, verspielt, lachend oder verträumt, stets aber sehr lebendig auftreten. Rössler war keck und gewitzt genug, Frauen für seine Modefotos auf der Straße frei heraus anzusprechen und sie um Zusammenarbeit zu bitten. Viele blieben viele Jahre in seinem Schaffensorbit. Alsbald vertraute man sich, was den Weg zu einer Passion des Fotografen bereitete, nämlich zum Akt.

Fred Willitzkat

Fred Willitzkat

Unmissverständlich vermittelt Rösslers Aktfotografie die Besonderheit seines Schaffens. Dass man ihr nichts Voyeuristisches oder Pornografisches vorwerfen kann, ist zum großen Teil auch dem Umstand zu verdanken, dass jede Art von Kontext ausgeklammert ist, auch das Private. Was ist auf diesen Fotos zu sehen? Licht und Schatten (Körperkurven werden dadurch betont), Gesicht und Augen. Letztere sind sowohl Tor zum als auch Hüter des Geheimnisses der abgebildeten Persönlichkeit. Die Frauen erscheinen stark und halten dem Blick des Betrachters würdevoll stand. „Die Fotos sind so gemacht, dass der Blick zuerst auf die Augen und das Gesicht des Mädchens fällt, und sich erst dann auf den Körper ausweitet“, findet Schlegel, die sich abwechselnd von einer Reihe Aktfotos zu den Besuchern wendete.

Zum Abschluss gab es dann bei der Führung so etwas wie einen Epilog. Willitzkat offenbarte das Geheimnis, auf welchem der Fotos Schlegel zu sehen ist. Gut möglich, dass Sie, liebe Besucher, bei der heutigen Führung um 17 Uhr, die vom Direktor des Hauses persönlich vorgenommen wird, weitere Geheimnisse erfahren.